Donnerstag, 25. September 2008

Mieszkam w Warszawie!

Aaaaah, endlich angekommen!

Und nachdem ich nun über drei Wochen ständig unter Menschen war, ist es wirklich ein komisches Gefühl auf einmal alleine zu sein… Aber morgen abend kommen meine beiden Jungs : )

Um gaanz vorne anzufangen:


Vor vielen vielen Tagen, am 01.09.2008 bin ich also nach Hirschluch im schönen Brandenburg aufgebrochen. (Alle meine Brandenburg-Vorurteile haben sich bestätigt… „Ich fühl mich leer, ich fühl mich Brandenburg“! Nicht mal im Wald gibt es Anzeichen von Leben… dafür aber ein Echo!!!)

In Hirschluch waren dann also das erste mal alle ASF-Freiwilligen zusammen auf einem Fleck, 150 an der Zahl.

Und ich kann euch sagen, 10 Tage mit 150 Leuten sind echt ganz schön anstrengend… wenn auch sehr lustig : )
Wir sind dann in Projektarbeitsgruppen eingeteilt worden, kurz PAG (sprich: „Päääg“) und haben in diesen Gruppen alles mögliche gemacht, was teilweise ganz interessant war, teilweise auch hilfreich, teilweise aber auch sehr seltsam…

So weiß ich jetzt zum Beispiel jede Menge über die Geschichte von ASF und habe auch ausführlichst über Sühne und die Schuld meiner Väter und Väterväter (und Väterväterväter) diskutiert und darüber, ob der Begriff „Sühnezeichen“ noch aktuell ist oder ob ich finde, dass ASF seinen Namen ändern sollte.

Erstaunlicherweise gibt es erschreckend viele Freiwillige, die tatsächlich sühnen wollen und sich selbst und persönlich für Nazi-Verbrechen schuldig fühlen… Aber zum Glück gibt es auch ganz ganz Viele, die das anders sehen!
Viele von den Freiwilligen gehen mit sehr viel Sarkasmus an die Sühne-Sache heran!
So stehen auch schon diverse Pläne, T-Shirts drucken zu lassen, auf denen groß der Schriftzug „Super-Sühner“ prangt.

Evtl. mit Superman-Logo.

Das Gelände in Hirschluch war ganz nett, viel grün und bis auf dieses Bildungszentrumsding wo wir waren nicht viel (Brandenburg halt…).

Untergebracht waren wir in mehreren Häusern.

Essen gab es immer im „Kranzhaus“, gewohnt habe ich in der „Waldhütte“, es gab auch noch den „Fuchsbau“ und das Haus „Zur Güldenen Sonne“. Außerdem war da noch das „Haus der Stille“ mit dem Meditationsraum und Plenum war immer im „Haus der Begegnung“.

Wenn man abends Party machen wollte war dafür die „Kapelle“ gut geeignet, da waren keine Schlafzimmer drin.

Diese Begriffe sind nun fester Bestandteil eines jeden ASF-Freiwilligen-Wortschatzes.

Besteht bei irgendeiner Sache Diskussionsbedarf, so heißt es einfach: „Wer darüber noch diskutieren will, wir treffen uns dann später um 8 vorm Kranzhaus!“

So, nun zu diesen Gottesdiensten…

Als ich nach Hirschluch gefahren bin war ich ziemlich empört, weil im Programm der Punkt „Gottesdienste“ grau unterlegt war, was so viel heißt wie „Du musst da hin!!“.

Und das geht ja mal gar nicht, jemanden zu einem Gottesdienst hinzuzwingen, und Sinn eines Gottesdienstes ist s ja auch nicht, dass da Leute rumsitzen, die eigentlich gar nicht da sein wollen.

Nachdem wir nun also kollektiv empört waren und auch fleißig diskutiert haben (sowohl in den Päägs als auch vorm Kranzhaus), stellte sich heraus, dass es nicht nur ein Gottesdienst ist, sondern dass es darum geht, dass die ASF-Freiwilligen sich in den Gemeinden, die ja für ASF Geld geben, vorstellen und erzählen, was sie so machen.

Und wer nicht will, muss – so erklärte mir ASF – auch an keinerlei religiösen Ritualen teilnehmen-

Nach reichlichem Überlegen und ein bisschen Schmollen war ich dann irgendwann bereit, das Ganze ohne weiteres Murren hinzunehmen.

Ich saß dann also da in dieser Kirche – und bin nur ganz haarscharf einer Segnung entronnen!


Das Ganze spielte sich so ab:

Ich saß in dieser Kirche, neben mir noch drei andere ASF-Freiwillige (wir 150 Leute waren auf ganz viele Berliner Kirchen verteilt).

Ich hab mich schon gleich etwas doof gefühlt, weil ich die einzige war, die so konsequent gesagt hat, dass sie nichts mitmacht, die anderen drei wollten sogar zusammen eine Fürbitte vortragen.

Dann kam die Pfarrerin und hat gefragt, ob von uns jemand nicht christlich ist und ich hab mich gemeldet und „Ja, ich!“ gesagt.

Da meinte sie, das sei alles kein Problem, ich könnte das Fürbitten ruhig weglassen, aber (!) es wäre toll, wenn ich für das Segenswort trotzdem mit nach vorne käme, damit die Gemeinde mich auch schon während des Gottesdienstes und nicht erst hinterher beim Gespräch zu Gesicht bekommt und damit ich mich nicht so ausschließe und abgrenze.

Und als ich da gesagt habe, dass ich das eigentlich nicht will, war sie gar nicht so begeistert und meinte, sie ruft uns dann einfach auf und ich kann da ja ganz spontan immer noch mit aufstehen!
Das hat sie dann auch getan, aber ich bin trotzdem sitzen geblieben, auch wenn ich für diese Entscheidung sehr mit mir ringen musste, die Frau hat mir echt ein schlechtes Gewissen gemacht!
Ansonsten war sie ganz nett…

Aber der Gottesdienst war so seltsam, erstmal war die Kirche total leer, es waren keine 20 Leute da, und dann ging die ganze Sache los mit ein paar Sätzen etwa folgenden Inhaltes:

“Lieber Gott, immer weniger Menschen glauben an dich.

Lieber Gott, immer mehr Menschen lügen und betrügen.

Lieber Gott, bitte mach doch was!“

Und zwar so ziemlich in einem Atemzug! Da fühlte ich mich dann doch irgendwie abgestempelt…

Die ganze Predigt handelte so in etwa davon, dass die armen kleinen Menschen ohne den lieben Gott nichts auf die Beine stellen können und dass er immer und andauernd irgendwo eingreifen muss und doch bitte diese schlechte Welt besser machen soll…

Aber naja, überstanden ist überstanden und gesegnet worden bin ich ja Gott sei dank (haha) auch nicht!

Dann ging es endlich los nach Polen! (Oh jeh, das hier wird ein ziemlich langer Eintrag!)

Wir saßen also zu vierzehnt in einem schönen Zug nach Polen, der etwa 10 ½ Stunden brauchen sollte. Betonung auf dem Wort „sollte“.

Also wir die polnische Grenze noch nicht weit hinter uns gelassen hatten und gerade durch einen sehr ansehnlichen Wald gefahren sind, blieb der Zug auf einmal stehen.

Warum?
Die Lok war kaputt!
Also saßen wir etwa 1 ½ Stunden im Wald rum und haben auf eine neue Lok gewartet.

Das war aber gar nicht so schlimm, ich habe davon nämlich nur etwa ½ Stunde aktiv miterlebt… den Rest der Zeit hab ich tief und fest geschlummert, in der Nacht davor hab ich nämlich nur etwa 1 Stunde geschlafen! (Meine Schlafzeiten haben sich seit dem 1.9. radikal verkürzt…)

Dann irgendwann ging es weiter, aber auch nur für etwa 45 Minuten, dann standen wir noch mal eine halbe Stunde im Wald rum.

Warum?
Keine Ahnung!
Dann kamen wir irgendwann an einen Bahnhof! WOW!
Aber da sind wir dann auch noch mal eine Stunde stehen geblieben, und zwar, weil irgendwer ein- oder aussteigen wollte (weiß nicht so genau) und der Zug sich während dessen leider bewegt hat… Also haben wir zu hören bekommen: Personenschaden, wir bleiben erst mal hier!
Aber nach fast 14 Stunden sind wir dann – unerwarteterweise – tatsächlich noch in Kraków angekommen! Vor Energie nur so strotzend und mit dem festen Plan und dem drängenden Bedürfnis, als gute Super-Sühner überall Sühnezeichen zu errichten! (Wir waren drauf und dann, ein kleines Sühnezeichen im Wald neben den Schienen zu errichten!)
Wie ihr vielleicht merkt, ist unsere Polengruppe mit sehr seeehr seeeeeeeehr viel Sarkasmus an diese Sühne-Sache herangegangen. (Wir haben auch beschlossen, Sühneparties zu feiern – alle treffen sich, setzen sich an einen Tisch und weinen ein bisschen! Aber Gott sein dank haben wir Freiwilligen ja nur eine 40-Stunden-Woche, also müssen wir abends und am Wochenende nicht sühnen! Und wenn Kinder die Schuld ihrer Väter und Mütter übernehmen wäre es vielleicht die einfachste Lösung, ganz viele Kinder zu bekommen! Oder wie seht ihr das?)

Unsere Orientierungstage waren in Piekary, einem kleinen Ort vor Kraków.

Wir haben da in einem katholischen Internat gewohnt.

Um unser Komfort-Bedürfnis nach der Zugfahrt voll und ganz vor den Kopf zu stoßen, hat Urszula, unsere Länderbeauftragte, uns dann eröffnet, dass das Gästehaus gerade renoviert (bzw. gebaut…) wird und dass wir deswegen in Zimmern über der Turnhalle schlafen werden.

Diese stellten sich als ein 2er-Zimmer, ein 4er-Zimmer und ein wundervolles 8er-Zimmer heraus, in diesen Zimmern standen wunderbare Betten mit superbequemen Schaumstoffmatratzen! Tolltoll!
Auch ansonsten in dieses Internat so ziemlich der ungemütlichste Ort, an dem ich in letzter Zeit gewesen bin… Der Eindruck könnte aber auch durch das miese Wetter mitentstanden sein, es hat quasi die ganze Zeit durchgeregnet!

Jetzt zur Verpflegung.

HILFE!
Es gab jeden Tag, J E D E N T A G Kartoffelbrei! (bis auf 3 Tage, da gab es Nudeln oder Pommes)

Eigentlich mag ich Kartoffelbrei… aber der war so furchtbar! Er hatte eher die Konsistenz von Zement und irgendwann wurde mir schon beim Gedanken an Dill, der im Kartoffelbrei reichlich vorhanden war, schlecht…

Ich habe auch Jonas und Alex (meinen 2 Mitbewohnern) vorgeschlagen, wenn wir keine Wohnung finden, könnten wir ja eine aus diesem Kartoffelbrei bauen…

Aber diese gemeinsame Leidensgeschichte hat unsere Polengruppe sehr eng zusammengeschweißt (ich erkenne sicher jeden aus dem 8er-Zimmer an seinem Schnarchen : ) ) und unseren Sarkasmus außerdem ins Unermessliche gesteigert, man musste ganz einfach darüber Lachen und böse Witze zusammen machen, um nicht vollends durchzudrehen! ; )

So, wir hatten nun also noch 11 Tage Sprachkurs und ein bisschen Kulturprogramm!
Was ein bisschen doof war, war die Tatsache, dass die Busse von Krakau zwischen halb 10 abends und 4 Uhr morgens nicht fahren…

Aber man kann sich die Zeit in der Stadt bis 4 eigentlich ganz gut vertreiben : )
Beim ersten mal hatten wir das mit den Bussen noch nicht so raus und waren erst um viertel vor 7 wieder in Piekary, der Sprachkurs um 9 war an dem Tag ziemlich anstrengend…

So, und jetzt bin ich hier in der Stolica (Hauptstadt) Warszawa, Dinahseelenalleine!
Das erste mal wieder alleine! Jonas und Alex kommen erst Freitag abend, die haben als MKW-Freiwillige (Maximilian-Kolbe-Werk) erst noch ein Treffen in Łódź.
Komisches Gefühl…

Wir haben eine Wohnung!!!
Aber wirklich „zuhause“ bin ich trotzdem nicht, wir müssen nämlich bald wieder ausziehen!
Die Wohnung hat nur 2 Zimmer und soll außerdem verkauft werden, aber 2 Monate haben wir. Und alle sind auf der Suche nach einer neuen Wohnung, es ist nur eine total ungünstige Zeit weil alles teuer ist und momentan die ganzen Stundenten nach Warschau kommen und auch Wohnungen suchen. Und da es mehr Studenten als Wohnungen gibt, schießen die Preise immer immer weiter in die Höhe! (Sowas habe ich mal im PoWi-Unterricht gelernt, Preisbildung in Bezug auf Angebot und Nachfrage ; ) )

Und habe ich nicht gesagt, dass ich mir für die Wohnung einen großen Kühlschrank wünsche?
Ich korrigiere mich hiermit, ein Kühlschrank egal welcher Größe wäre schon nicht schlecht!
Aber den hat Urszula uns zumindest schon versprochen!

Außerdem habe ich keine Bettdecke und kein Kissen, das hat Urszula einfach vergessen… Alles etwas chaotisch hier!
Und heute sollte sich die Stiftung bei mir melden und noch ein Bett und den Wasserkocher (!) und das andere Zeug von unseren Vorgängern vorbeibringen, aber bis jetzt ist nichts in der Hinsicht passiert… mal sehen!

Also, noch schnell, was heute und gestern so passiert ist und dann wars das erstmal : )

Gestern bin ich also hier angekommen und war ganz alleine und kannte gar niemanden.

Außerdem war ich traurig!
Da fährt man von zuhause weg und sagt allen Leuten, die man so kennt und mag, Tschüss.

Und dann trifft man lauter neue Leute und fängt an, die zu mögen. Und kaum ist es soweit, fahren wieder alle weg und irgendwo anders hin… Das war doof!
Und ich hier ganz alleine in Warszawa, ohne irgendwen zu kennen und ohne zu wissen, wo man so hingeht!
Also bin ich einfach losgezogen und in irgendeine Kneipe gegangen, wo ich zu ein paar Leuten an den Tisch gegangen bin und gesagt habe (Auf polnisch!!), dass ich Dinah bin, das erste mal in Warschau bin und kaum polnisch spreche. Dann habe ich auf englisch weiter gefragt, ob sie lust haben, sich mit mir zu unterhalten.

Sie haben gelacht und ja gesagt, aber ich glaube, sie fanden mich komisch.

Egal, ich fand die auch komisch.

Das waren 4 Leute, die hier Mathe studieren wollen.

Und die mir erzählt haben, dass Warschau total doof ist und sich gefragt haben, wie man bloß auf die Idee kommt, nach Polen zu gehen, wenn man doch auch nach Amerika oder Frankreich gehen kann. Und sie wollten mir weismachen, dass das eine doofe Entscheidung war und ich sie bereuen werde.

Ach was : )

Heute war ich dann das erste mal in der Jüdischen Gemeinde, zu der ich mit der U-Bahn etwa 20 Minuten (bei Dinah-Trödel-Geschwindigkeit) brauche!

Meine Aufpass-Person, Kasia, ist total nett : )

Sie hat sich ganz viel um mich gekümmert und ist dann mit mir in die Kantine gegangen, wo ich jeden Tag umsonst essen kann und wo ich dann das Essen für 3 Frauen hole und es denen bringe.

Das ist so der einzige bisher sichere Teil meiner Arbeit, ich bringe drei älteren Damen das Mittagessen (obiad).

Zu diesen drei Frauen ist sie dann auch mit mir gegangen, sie wirken alle total nett : )
Morgen muss ich alleine hin, das wird gruselig… ich hab die Wege jetzt schon vergessen und eine Frau spricht nur polnisch und russisch, das wird am Anfang echt schwer!
Aber so lernt man polnisch ; )

Mit dem Rest meiner Arbeit ist das so eine Sache. Dadurch, dass ich mittags immer zu diesen Frauen muss, ist es mit dem Institut kompliziert. Man kann halt nicht sagen „3 Tage hier und 2 da“, die Frauen brauchen ja jeden Tag was zu essen und das ist nun mal immer in der Mitte des Tages.

Aber das werden wir noch regeln.

Außerdem habe ich die Möglichkeit, vormittags in den Jüdischen Kindergarten zu gehen, was mir schon mal gut gefällt.

Und ich kann noch 1 oder 2 ältere Leute zu Hause besuchen und etwas länger bei ihnen bleiben.

Außerdem kann ich noch bei so einem Jugendprojekt mitmachen.

Das klingt ziemlich gut.

Dafür habe ich heute Agata und Sasza getroffen, 2 junge Leute (Agata ist 25 und Sasza wird 20) und die haben mir erzählt, was sie da so machen.

Das sind immer 3 Stunden, Sonntag nachmittags, wo die Kinder spielen und basteln und was über das Judentum beigebracht bekommen, aber auf spielerische Art und Weise. Das Basteln zum Beispiel dreht sich dadrum (Magen-David-Kettenanhänger oder Sachen für bevorstehende Feiertage, bald ist z.B. Rosh HaShanah) oder es werden jüdiche Tänze oder so was geübt.

Das ist leider Sonntags, da habe ich ja eigentlich frei, ich muss mal überlegen, ob und wenn ja wie ich das mache.

Sie wollen aber bald auch unter der Woche etwas anbieten und als sie gefragt haben, ob ich schon mit Kindern zu tun hatte und ich vom Kindertraining erzählt habe, waren sie hin und weg, weil sie genau so was überlegt hatten und jemanden dafür gesucht haben!
Es kann also sehr gut passieren, dass ich bald kleinen Kindern in der Jüdischen Gemeinde in Warschau Hu-Long-Do beibringe : )

So jetzt muss ich los, ich bin nämlich für heute Abend tatsächlich verabredet : )
Auf jeden Fall mit Sasza und je nachdem, wir Agata Zeit hat auch mit ihr!

Tolltoll, ich gehe mit Polen in Polen in eine polnische Kneipe!
Yippieeeh!

Also ihr alle, Dobranoc!
Jestem w Warszawie i bardzo lubię ten miasto! (Ich hoffe, das ist richtig…)

1 Kommentar:

  1. Uiiih, ein Lebenszeichen von der Dinah!

    Besonders das Ende deines Berichts hört sich ja sehr gut an. Ich hoffe für dich, daß es jetzt so weitergeht und nicht so wie am Anfang.

    Liebe Grüße,
    Florian

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